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Im Gespräch mit "Torten der Wahrheit"-Erfinderin Katja Berlin zum Weltfrauentag 2025

  • Autorenbild: Redaktion
    Redaktion
  • 28. Feb.
  • 5 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 21. März

Zwischen Lachen, Nachdenken und der Wahrheit in Tortenform

Foto: Guido Rottmann
Foto: Guido Rottmann

Kaum jemand entlarvt gesellschaftliche Missstände so treffend wie Katja "Berlin" Dittrich. Ihre „Torten der Wahrheit“ sind längst Kult – jede Woche seziert sie in ihrer Kolumne für DIE ZEIT aktuelle Debatten mit scharfem Witz und präzisen Infografiken. Besonders das Thema Gleichberechtigung zieht sich wie ein roter Faden durch ihre Arbeit: Ob Gender Pay Gap, Frauen in der Arbeitswelt oder stereotype Rollenzuweisungen – Katja Berlin bringt komplexe Probleme mit Humor auf den Punkt und regt dabei zum Nachdenken an.


Passend zum Weltfrauentag 2025 sinnniert sie im Gespräch mit uns darüber, wie weit wir in Sachen Gleichstellung gekommen sind – und wo noch Luft nach oben ist. 2023 erschien ihr Buch „Wofür Frauen sich rechtfertigen müssen“, eine Sammlung ihrer besten Arbeiten, die zeigt, wie oft Frauen für Dinge kritisiert werden, die bei Männern selbstverständlich sind.

Die studierte Politikwissenschaftlerin und ehemalige PR-Referentin begann ihre Karriere mit humorvollen Twitter-Beiträgen, die schließlich zur Zusammenarbeit mit Peter Grünlich führten. Gemeinsam veröffentlichten sie mehrere Bestseller mit satirischen Infografiken.


Im Herbst 2025 geht Katja Berlin auf große Tour durch Deutschland und die Schweiz und bringt ihre Lieblingstorten erstmals auf die Bühne. Anlässlich des Weltfrauentags sprechen wir mit ihr über Gleichberechtigung, gesellschaftliche Ungleichheiten und die Frage, ob Humor die Welt tatsächlich ein Stück gerechter machen kann.


Grafik: Katja Berlin / YES Publishing
Grafik: Katja Berlin / YES Publishing

Katja Berlin, Sie hatten zunächst „einen richtigen Job in einem Büro“. Wie hat dieser Weg Sie zur Satire und zur ersten Infografik geführt?

Ich hatte einen dieser Bürojobs, die nur mit sehr viel Humor zu ertragen sind und weil zur gleichen Zeit Twitter in Deutschland aufkam, habe ich meine Pointen zur Stressbewältigung nicht nur zu Hause erzählt, sondern online gepostet. Durch die damals noch striktere Begrenzung auf 140 Zeichen habe ich pointierten und präzisen Humor geübt, was mir in den knappen Infografiken natürlich hilft.


Sie sagen, dass Humor besonders in schwierigen Zeiten wichtig ist. Wann war Ihnen zum ersten Mal bewusst, dass Ihre satirischen Grafiken mehr als nur ein Lacher sind – sondern auch gesellschaftliche Wirkung haben?

Oh, das weiß ich nicht mehr. Das war auch eher eine schleichende Entwicklung. Mir selbst war lange Zeit gar nicht klar, was für einen Impact Humor haben kann. In Deutschland neigen wir ja gerne dazu, den zu unterschätzen. Aber positiver Humor entspannt uns und macht uns offener für andere Perspektiven.


Die "Torten der Wahrheit" sind mittlerweile Kult. Was war die überraschendste oder vielleicht skurrilste Reaktion auf eine Ihrer Grafiken?

Die überraschendste Reaktion war die einiger Männer, die mir schrieben, dass sie politisch ganz anderer Meinung sind als ich, aber dass sie dennoch meine Kolumne mögen. Die Torten hätten sie oft zum Nachdenken gebracht und manchmal seien sie sogar zu dem Schluss gekommen, dass ich Recht haben könnte.


"Ich finde, Wut kann eine hervorragende Antriebsquelle sein, die viele Frauen ruhig öfter nutzen könnten."


In Ihrem Buch "Wofür Frauen sich rechtfertigen müssen" thematisieren Sie den subtilen Druck, dem Frauen täglich ausgesetzt sind. Welche Erkenntnis aus Ihren Recherchen hat Sie selbst am meisten überrascht?

Mich hat es überrascht, wie viel wir immer noch als „normal“ hinnehmen, obwohl uns andere Länder ja durchaus zeigen, dass Frauen gar nicht unbedingt so oft in die Altersarmut rutschen, so viel kostenlose Carearbeit leisten oder ihre Karriere für Kinder aufgeben müssen. Uns fehlt oft das Bewusstsein dafür, wie ungerecht bestimmte Dinge sind, weil wir es halt nicht anders kennen.


Was wäre Ihr ultimativer Wunsch für die Gleichstellung von Frauen – wenn Sie eine Maßnahme sofort umsetzen könnten?

Ich bin überzeugte Demokratin und keine Freundin von alleinigen Entscheidungen, aber dass wir immer noch einen § 218 im Strafgesetzbuch haben, macht mich außerordentlich wütend.


Gibt es ein Vorurteil oder eine stereotype Annahme über Frauen, die Sie in Ihrer Arbeit am meisten ärgert?

Naja, ich versuche mich eben nicht darüber zu ärgern, sondern dem mit Humor zu begegnen: Etwa dem Gerücht, dass es Quotenfrauen seien, die am häufigsten im Job wegen ihres Geschlechts bevorzugt werden. Dabei sind es zu 95 % Männer, die von ihrem Geschlecht profitieren.


Was wäre Ihre persönliche Botschaft zum Weltfrauentag 2025?

Jetzt erst recht! Ich habe das Gefühl, dass die momentanen Entwicklungen viele Menschen emotional überlasten und ich verstehe das. Aber ein Rückzug ins Private hilft nur kurzfristig. Wer also noch ein paar Kapazitäten übrig hat, wird jetzt dringend gebraucht, um für die Demokratie und für die Rechte von Frauen und marginalisierten Menschen zu kämpfen.

 

Foto: Guido Rottmann
Foto: Guido Rottmann

Was braucht es, damit Satire nicht nur unterhält, sondern wirklich Debatten verändert?

Präzision und Sachorientierung. Ich will keine Witze mehr über Frisuren oder Figuren oder Körpergrößen von Menschen in der Politik hören, sondern über ihre Forderungen und Handlungen. Und im Zweifel sollte man lieber gegen strukturelle Probleme austeilen als gegen Individuen.


In einer Welt voller Krisen – wie behalten Sie selbst den Blick für das Komische?

Naja, es hilft ja nichts. Ohne Humor wäre alles noch viel schwieriger zu ertragen, also bleibt mir nichts anderes übrig.


Ihre ZEIT-Kolumne hat dieses Jahr ihr 10jähriges Jubiläum gefeiert. Hätten Sie damals gedacht, dass sie so lange laufen würde?

Absolut nicht. Ich habe ja anfangs nicht mal geglaubt, dass mir überhaupt jede Woche irgendwas einfällt. Damals gab es unter der großen Koalition ziemlich viel innenpolitischen Stillstand. Aber als ich dann mit den Torten anfing, begann das Jahr 2015 und ich hatte seitdem leider überhaupt keine Probleme mehr, Themen zu finden. Leider!


Sie gehen 2025 mit Ihren "Lieblingstorten" auf Tour. Wie bringt man eine Infografik auf die Bühne? Was erwartet das Publikum?

Ich bringe eine Mischung aus Politik, Comedy und Torten auf die Bühne. Klar spreche ich da viel über Gleichstellung, aber ich beschäftige mich auch mit anderen Themen, zum Beispiel mit dem Rechtsruck und warum wir immer lieber erstmal in die volle Krise schlittern, bevor wir irgendetwas ändern wollen.


Foto: Katja Berlin / YES Publishing
Foto: Katja Berlin / YES Publishing

Gibt es eine Ihrer Infografiken, die Ihnen besonders am Herzen liegt – oder die eine besondere Geschichte hat?

Ich habe die Grafik „Wofür Frauen sich rechtfertigen müssen“ extra für das Cover meines Buches ausgewählt, weil mir so viele Frauen geschrieben haben, dass sie sich da erkannt fühlen. Das fand ich schön. Ich freue mich, wenn ich Sichtbarkeit für Frauen schaffen kann.


Haben Sie ein Ritual oder eine Inspirationsquelle, um immer wieder neue Ideen zu entwickeln?

Ich lese ganz viele Zeitungen und Meinungskommentare. Ich finde es wichtig, viele Ansichten zu kennen, um die richtige für mich herauszukristallisieren. Aber was mich natürlich auch immer wieder inspiriert, sind nahende Deadlines.


GLOW steht für bewussten Lifestyle, Familie, Selfcare und die kleinen Momente, die uns strahlen lassen. Was ist Ihr persönlicher GLOW-Moment – der eine Moment, der Ihnen Kraft gibt und Sie inspiriert?

Ich finde, Wut kann eine hervorragende Antriebsquelle sein, die viele Frauen ruhig öfter nutzen könnten. Im richtigen Moment auf die eigene Wut zu hören, kann herrlich befreiend sein und Veränderungen anstoßen, die zum Besseren führen.


Foto: Katja Hentschel / Grafik: https://katjadittrich.de/
Foto: Katja Hentschel / Grafik: https://katjadittrich.de/

 
 
 

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