Grazie Garda!
- Redaktion
- 9. Juni
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 5 Tagen

Auf unserer Reise an den Gardasee trifft Glow-Autorin Eva-Maria Rueter inspirierende Frauen, die mit Herz und Hingabe besondere Orte geschaffen haben.
Das erste Mal am Gardasee – und zwar in der nördlichen Region Garda Trentino. Unser Zuhause für diese Tage: das Agritur Comai, ein kleiner, familiengeführter Bauernhof (mit liebevoll hausgemachtem Frühstück), nur wenige hundert Meter vom See entfernt. Irene, die das Gut mit ihrem Mann führt, empfängt uns herzlich, fast so, als würde man sich schon lange kennen. Noch bevor wir unser Zimmer sehen, bekommen wir ein E-Bike zur Verfügung gestellt, ganz selbstverständlich. Denn Garda Trentino lässt sich ideal mit dem Fahrrad entdecken. Überhaupt: Diese Region ist ein Paradies für Bewegungshungrige – für Wanderer, Kletterinnen, Surfer, Trailrunnerinnen. Eben für alle, die sich gern in der schönen Kulisse verlieren und dabei aktiv sein wollen.

Nur ein paar Minuten vom Agritur entfernt liegt Riva del Garda, eine Stadt wie ein mediterraner Tagtraum, mit stilvollen Boutiquen, pastellfarbenen Gassen und dem malerischen See. In der von Palmen gesäumten Viale San Francesco findet regelmäßig ein Markt statt, den wir sofort ins Herz schließen. Zum Ankommen gönnen wir uns eine Pizza im Hotel Sole direkt am Wasser. Ein absolutes Restaurant-Muss in Riva: das traditionsreiche Restaurant Leon d’Oro – hier sitzt die Nonna tatsächlich noch im Eingang.

WEIN, WEIBLICHKEIT UND WANDEL
Unser erster Termin führt uns ins grün schimmernde Valle dei Laghi, zum Weingut Pravis. Dort treffen wir Giulia Pedrini, die das Familienweingut gemeinsam mit ihrer Schwester Erika führt. Zwei Frauen, zwei Wege – ganz natürlich gewachsen. „Wir haben das nie bewusst entschieden“, sagt Giulia. „Es hat sich einfach ergeben. Erika ist fünf Jahre älter, sie hat früh mit unserem Vater in der Weinproduktion gearbeitet. Ich liebe den Austausch mit Menschen, erzähle gern über unser Tal, unsere Weine, unsere Haltung. Das hat sich so gefügt, ohne Plan.“
Giulia muss nicht lange überlegen, wenn man sie fragt, was sie an ihrer Arbeit besonders glücklich macht. „Das ist vielleicht die einfachste und gleichzeitig schwerste Frage“, sagt sie mit einem stillen Lächeln. „Ich komme hierher, weil ich es liebe. Nicht, weil ich muss. Es fühlt sich nie wie Arbeit an. Auch sonntags, wenn wir eigentlich geschlossen haben, bin ich oft hier. Ich checke die E-Mails, schaue nach den Rechten – aber eigentlich komme ich einfach, weil sich dieser Ort wie ein zweites Zuhause anfühlt.“
Pravis wurde 1974 gegründet, liegt idyllisch eingebettet zwischen Bergen und kleinen Seen – und zählt heute zu den Aushängeschildern der Region, wenn es um biologisch zertifizierten, handwerklich gekelterten Wein geht. Die Rebsorte Nosiola ist eine Hommage an das Terroir, der Reboro ein mutiger Roter mit Rückgrat.
Auch wenn die Anerkennung für das Weingut wächst, sind Herausforderungen Teil des Wegs. „Gerade auf kommerzieller Ebene, etwa im Export mit außereuropäischen Ländern, ist es nicht immer leicht, sich als Frau durchzusetzen“, sagt Giulia. „Aber nichts ist unmöglich. Man muss nur Kompetenz und den Willen zum Erfolg beweisen.“ Wenn sie vor wichtigen Entscheidungen steht, denkt sie an den Rat ihres Vaters zurück: „Tu, was du für das Richtige hältst – aber übernimm Verantwortung für dein Handeln.“
Was sie an ihrer Heimat besonders liebt? „Wir haben einfach alles. Mediterranes Klima am Gardasee, Berge zum Klettern, Radwege, historische Städte, großartige Küche. Und trotzdem bist du in einer Stunde in Verona oder Bozen. Es ist diese Nähe zur Welt – und gleichzeitig zu sich selbst.“
„Es ist kein Job. Es ist ein Zuhause.“
– Giulia Pedrini, Weingut Pravis

LOCANDA 53 – LIEBE AUF DEN ERSTEN TELLER
Am nächsten Tag rollen wir mit dem Rad nach Arco. Arco ist eine Stadt zwischen Kletterfels und Altstadtflair, zwischen Geschichte und Gegenwart. Hier, in einem unscheinbaren Gebäude aus dem 16. Jahrhundert, befindet sich ein Ort, der sich weniger wie ein Restaurant, sondern eher wie eine Einladung anfühlt: die Locanda 53 wird geführt von Evelyn Dalgliesh und ihrem Partner.
Evelyn begrüßt uns mit offener Ruhe. Sie ist keine, die sich in Szene setzt, sie schafft lieber Atmosphäre. „Wir sind seit 2023 im Guide Michelin, aber machen wenig Werbung“, sagt sie. „Die meisten finden uns über Mundpropaganda. Das funktioniert für uns wunderbar, denn nicht jeder ist bereit für diese Art von Erfahrung.“ Wir spüren, was sie meint, als wir die Locanda 53 betreten: Dieser Ort lässt die Zeit langsamer werden. Hier gibt es keine 20 Tische, sondern nur zwei – einen im Hauptraum, einen über der Küche. Private Dining auf die intimste Weise. „Es ist ein Gourmet-Restaurant, aber ohne die Strenge des Fine Dining. Keine Sorge, wie man sitzt, wie man die Gabel hält – man darf einfach man selbst sein. Essen soll verbinden, nicht verunsichern“, sagt Evelyn.
Was bei ihr auf den Teller kommt, ist mutig, klar und regional, ohne Instagram-Moment, ohne Spektakel. „Zwei Bloggerinnen kamen einmal und sie waren enttäuscht, weil niemand sie sah“, sagt Evelyn und lacht. „Aber genau darum geht’s: nicht gesehen zu werden, sondern wirklich da zu sein.“
Wer bleiben will, kann im Internet das dazugehörige Zimmer buchen. Eine Nacht gibt es ab ca. 95 Euro. Die Räume sind schlicht, warm und liebevoll eingerichtet, sie haben Seele. Trotz Michelin-Empfehlung ist das Locanda 53 kein Designhotel, sondern ein Herzensort.
Nach dem Besuch bei Evelyn führt uns unser Weg weiter. Riva, Arco, Torbole und zurück nach Riva. Eine kleine Dolce-Vita-Tour auf zwei Rädern. Das Radfahren macht hier einfach nur Spaß. In Torbole, dem vielleicht coolsten Strand der Region, tobt schon das Surferleben. Wir halten kurz die Füße ins Wasser – und dann: einfach rein! Wir genießen den kalten See und schwimmen ein paar Runden. Danach plaudern wir mit einem Halbitaliener aus München in der Sonne. Es ist herrlich und überhaupt nicht überfüllt. Extra-Tipp: Das luxuriöse Hotel Baia Azzurra in Arco-Linfano liegt direkt am Strand.
„Nicht jeder ist bereit für diese Art von Erfahrung.“
– Evelyn Dalgliesh, Restaurant Locanda 53

HOCH HINAUS MIT VALENTINA
Das Highlight des Trips beginnt früh am folgenden Tag – mit einem Jeep, der uns gemeinsam mit Bergführer Marco über Serpentinen bis zur Malga Trat bringt. Dort steigen wir um in den Rhythmus der Berge: zu Fuß, Schritt für Schritt Richtung Himmel. Auf 1.600 Metern Höhe thront die Rifugio Pernici, eine Schutzhütte mit Weitblick. Hier lebt Valentina. Sie gießt uns ein Wasser ein, während aus dem Hintergrund die Rolling Stones ertönen.
Valentina Santoni ist die jüngste Hüttenwirtin des Trentino. Sie ist 25, stammt aus Riva del Garda, und leitet die Hütte seit 2022 – gemeinsam mit ihren Freundinnen, die Teil des festen Teams sind. „Ich habe mit 18 in einer anderen Hütte gearbeitet und wusste schnell: Ich liebe die Natur in Vereinbarkeit mit Menschen. Genau das macht diesen Ort aus.“
Die Rifugio Pernici ist von Mai bis Oktober geöffnet, bietet 28 Schlafplätze und liegt auf 1.600 Metern Höhe zwischen Gardasee und Ledrotal. Viele Wandernde machen hier Halt: für eine Portion Polenta, ein Bett für die Nacht oder als Etappe auf einer Hut-to-Hut-Tour durchs Trentino. Valentina liebt diese Abwechslung und die damit verbundene Herausforderung: „Man muss hier oben für jedes Problem selbst eine Lösung finden. Hilfe ist weit weg, aber das macht einen auch stärker.“
Technik ist rudimentär vorhanden, Strom und Wasser sind begrenzt. „Man lebt hier wie auf einer Insel“, sagt sie. Und genau das schätzen die Gäste, denn zwischen Latschenkiefern und Kuhglocken verliert man das Zeitgefühl und kann Klarheit gewinnen, die im Alltagsstrudel manchmal fehlt. „Für mich ist diese Region das Paradies. In nur zwei Jahren habe ich hier so viele Erinnerungen gesammelt, dass es mein zweites Zuhause geworden ist“, so Valentina.
„Man lebt hier wie auf einer Insel.“
– Valentina Santoni, Hütte Rifugio Pernici

GLOW Guide: Garda Trentino Highlights
Unterkünfte & Orte
Agritur Comai – familiengeführter Hof mit Frühstück & E-Bike-Service
Weingut Pravis – nachhaltige Weinproduktion, geführt von Giulia und Erika Pedrini
Hütte Rifugio Pernici – 1.600 m Höhe, geführt von Valentina Santoni
Bastione di Riva – Panorama-Festung mit Seeblick & stylischem Bistro
Locanda 53, Arco – Mini-Restaurant mit 2 Tischen, geführt von Evelyn Dalgliesh
Aktivitäten
E-Biken & Radfahren um Riva, Arco, Torbole
Markt in Viale San Francesco (Riva)
Wandern, Klettern, Baden im See
Sonnenuntergangs-Spot: Bastione di Riva
Restaurant-Tipps in Riva del Garda
Hotel Sole – Pizza direkt am Wasser
Leon d’Oro – klassisch italienisch, geführt von einer echten Nonna
Baia Azzurra (Arco–Linfano) – Designhotel mit Restaurant direkt am Strand
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