Alina Süggeler: „Es ist erschreckend, wie wenig über weibliche Gesundheit gesprochen wird"
- 17. Sept.
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Aktualisiert: 18. Sept.

Im GLOW-Interview spricht Frida-Gold-Sängerin Alina Süggeler über ihre Endometriose-Diagnose, Tabus rund um weibliche Gesundheit und neue Stärke.
Seit über einem Jahrzehnt prägt Alina Süggeler als Stimme der Popband Frida Gold die deutschsprachige Musiklandschaft – mit Songs wie Wovon sollen wir träumen wurde die Band 2011 bekannt und fand seither ihren ganz eigenen Sound. Am 19. September erscheint ihre neue EP Morgenrot, auf der sich Frida Gold erneut verletzlich und kraftvoll zugleich zeigt. Im Interview spricht Alina Süggeler offen über ihre Endometriose-Diagnose, die lange Suche nach Antworten und ihren Umgang mit der chronischen Erkrankung.
Alina, du sprichst offen über deine Endometriose-Diagnose – wie sah dein Weg mit der Krankheit aus?
Alina Süggeler: Nach einer Bauchspiegelung im Oktober 2023 bekam ich die Diagnose – ein gutes Jahrzehnt, nachdem die ersten Beschwerden aufgetreten waren. Mit dem Absetzen der Pille im Jahr 2020 wurden die Schmerzen unerträglich, und frei zugängliche Schmerzmittel brachten keine Linderung mehr. Ich lebte also in Schmerzspiralen, mit Durchfallattacken, und fand mich regelmäßig über Stunden schmerzgekrümmt auf dem Badezimmerboden wieder. In Erinnerung an die Bilder wird mir ganz anders – nicht, weil ich nicht auch heute diese Momente noch erlebe, sondern weil ich damals dachte, das sei normal, das gehöre zum Frausein dazu. Wann immer ich meiner damaligen Gynäkologin von diesen Schmerzen erzählte, sagte sie, dass diese keinem klinischen Krankheitsbild entsprächen. Erst als ich an einem Neujahrsmorgen im Urlaub nach stundenlangem Ausnahmezustand vom Krankenwagen abgeholt wurde, weil mein Körper dem Schmerz nicht mehr standhalten konnte, sprach ich im Krankenhaus mit einer Gynäkologin, die mir damals ans Herz legte, mich auf Endometriose untersuchen zu lassen.
Was sind die größten Herausforderungen im Umgang mit Endometriose?
Das ist sicherlich ganz individuell, so wie die Symptome der Krankheit selbst. Für mich wiegt die mangelnde Selbstwirksamkeit, die ich mit dieser Krankheit über Jahre erlebt habe, besonders schwer. Vor der Diagnose, aber auch danach. Mir wurde nach der Bauchspiegelung und dem Entfernen von Endometrioseherden zur anschließenden Behandlung eine Hormontherapie empfohlen. Das mag ein gutes Mittel der Wahl sein, ich wollte meinen Körper allerdings nach dem Absetzen der Pille einige Jahre zuvor nicht wieder Hormonen aussetzen und versuche nun auf alternativen Wegen, meinen Hormonhaushalt auszugleichen, Entzündungen so gut wie möglich zu minimieren und selbstbestimmt mit der Krankheit zu leben.
Gab es einen bestimmten Moment, der dich dazu bewegt hat, über die Krankheit zu sprechen?
Als ich nach dem operativen Eingriff mit Prof. Dr. Römer, Chefarzt am Evangelischen Klinikum Köln-Weyertal und Leiter des Endometriose-Zentrums, meine Entlassung besprach, erzählte er mir, dass die Krankheit aufgrund mangelnder Forschung und Aufklärung in der Medizin im Durchschnitt bis zu zehn Jahre nach Auftreten erster Anzeichen diagnostiziert würde. Er berichtete außerdem, dass gerade wieder staatliche Fördergelder zur Erforschung der Krankheit gestrichen worden seien und wie wichtig es deshalb sei, Endometriose in den Vordergrund zu rücken.
„Es ist erschreckend, wie wenig über Themen wie weibliche Gesundheit, den Hormonhaushalt oder die Wechseljahre gesprochen wird – und in der Folge auch, wie wenig wir Frauen darüber wissen.“
Was würdest du dir von der Gesellschaft oder dem Gesundheitssystem im Umgang mit Endometriose wünschen?
Ganz grundsätzlich das Enttabuisieren aller Themen rund um den weiblichen Zyklus. Es ist erschreckend, wie wenig über Themen wie weibliche Gesundheit, den Hormonhaushalt oder die Wechseljahre gesprochen wird – und in der Folge auch, wie wenig wir Frauen darüber wissen. Dazu braucht es gezielte Forschungsförderung und Aufklärung, in der Medizin selbst und unter allen möglichen Betroffenen. Im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung wird Endometriose erstmals explizit als gesundheitspolitisch relevantes Thema genannt. Das ist ein guter, aber längst überfälliger Schritt, denn diese Krankheit betrifft nun mal über zehn Prozent aller Frauen im gebärfähigen Alter, kann erhebliche Auswirkungen auf die Lebensqualität haben und zu Unfruchtbarkeit führen.
Welche Botschaft möchtest du anderen Betroffenen mitgeben, die vielleicht noch am Anfang ihrer Diagnose oder Reise stehen?
Traut euch, eurem Gefühl zu vertrauen. Wir sind die Spezialist:innen, wenn es um unsere Körper geht. Verfolgt dieses Anliegen, ohne euch verunsichern zu lassen. Eine schmerzhafte Periode ist nicht normal, sondern ein Zeichen dafür, dass etwas nicht stimmt. Wendet euch im besten Fall direkt an ein Endometriose-Zentrum. Und wenn die Diagnose steht, kann das nicht nur der Anfang eines schmerzbefreiteren Lebens sein, sondern auch der Beginn eines Weges hin zu einem tieferen Verständnis für den eigenen Körper, den eigenen Zyklus und den eigenen Hormonhaushalt.
„Wahrscheinlich habe ich die Krankheit ganzheitlich in mein Leben integriert.“
Hast du Strategien oder Rituale entwickelt, um mit Schmerztagen umzugehen – auch im Tour-Alltag?
Wahrscheinlich habe ich die Krankheit ganzheitlich in mein Leben integriert. Ich kümmere mich also nicht nur an Schmerztagen darum, wie ich mit den Symptomen der Endometriose umgehe, sondern vor allem an allen anderen Tagen des Monats. Angefangen damit, dass ich versuche, alles zu vermeiden, was entzündungsfördernd im Körper wirkt, meinen Körper mit fein abgestimmten Mitteln zu entlasten, meinen Hormonhaushalt sanft zu stabilisieren und dem Thema auch auf mentaler Ebene zu begegnen. Yoga und Pilates helfen mir regelmäßig sehr. Potenziell schmerzhafte Tage versuche ich zu entzerren – beim Planen meiner Termine habe ich das natürlich immer im Kopf.
Warum, glaubst du, wird über Themen wie Menstruation und Endometriose noch immer so wenig offen gesprochen – und was braucht es, damit sich das ändert?
Das hat sicherlich viel mit historischen Tabus und gesellschaftlichen Rollenbildern zu tun. Alles, was mit dem weiblichen Körper, mit Blut, Schmerzen oder Fruchtbarkeit zu tun hat, wurde über Jahrhunderte ins Private, ins Schamhafte verdrängt. Diese Muster wirken bis heute nach, in der Medizin genauso wie in unserem Alltag. Frauen müssen ihre Erfahrungen teilen können, ohne das Gefühl von Scham oder Übertreibung. Gleichzeitig braucht es Aufklärung; früh, in den Schulen, in den Medien und in der Ausbildung von Ärzt:innen.
Zur Person
Alina Süggeler, geboren 1985, ist Sängerin und Songwriterin der Popband Frida Gold (Wovon sollen wir träumen). Am 19. September erscheint die EP Morgenrot, die erste zusammenhängende Veröffentlichung der Band seit 2016.
Fotos: Fabian Sueggeler
Interview: Nadine Wenzlick
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