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Der Rücken als Spiegel der Seele 

  • Autorenbild: Redaktion
    Redaktion
  • 19. Nov.
  • 4 Min. Lesezeit

Aktualisiert: vor 7 Tagen


Catrin Marnitz ist überzeugt: Rückenschmerzen sind häufig nicht nur körperlich, sondern entstehen durch Stress, emotionale Belastungen und innere Anspannung. In ihrem neuen Buch „Ein gesunder Rücken ist auch Kopfsache" zeigt die Diplom-Psychologin, wie eng Rückenbeschwerden und Seele zusammenhängen – und warum nachhaltige Rückengesundheit immer ganzheitlich gedacht werden muss.


 

Psychologin Catrin Marnitz: Sie zeigt, warum Rückenschmerz oft im Kopf beginnt – und wie wir ihn dort auch wieder lösen können.
Psychologin Catrin Marnitz: Sie zeigt, warum Rückenschmerz oft im Kopf beginnt – und wie wir ihn dort auch wieder lösen können.


Catrin, dein Buch trägt den Titel „Ein gesunder Rücken ist auch Kopfsache.“ 

Was steckt dahinter? 

Der Titel kommt bewusst provokant daher. Denn in meiner täglichen Arbeit sehe ich immer wieder, wie eng Körper und Seele miteinander verbunden sind. Rückenschmerz ist keinesfalls nur eine Frage von Haltung, Verschleiß oder Bandscheiben. In etwa der Hälfte der Fälle spielen psychische Faktoren wie Stress, Trauer oder Einsamkeit eine zentrale Rolle. Wir wissen längst, dass es Einbildung nicht gibt – aber der Kopf hat einen maßgeblichen Einfluss auf den Schmerz. Die Art, wie wir denken und wie wir den Schmerz wahrnehmen, hat enorme Wirkung auf den Heilungsprozess. 


Du arbeitest seit über 20 Jahren mit Schmerzpatient:innen. Wie bist du zu diesem Spezialgebiet gekommen? 

Ich habe als Verhaltenstherapeutin begonnen und kam damals durch Zufall an das Rückenzentrum Am Michel in Hamburg. Man suchte eine Psychologin mit Interesse an der Schmerzforschung und ich habe schnell gemerkt, wie faszinierend dieses Feld ist. Mich hat von Anfang an überzeugt, dass man chronische Schmerzen nur interdisziplinär behandeln kann. Körper, Psyche und Verhalten müssen zusammenspielen, sonst bleiben Menschen im Teufelskreis des Schmerzes gefangen. 

 

Warum ist die Verbindung zwischen Kopf und Rücken so entscheidend? 

Weil der Rücken ein hochsensibles, mitfühlendes Organ ist. Er reagiert auf alles, was uns innerlich bewegt – auf Druck, Überforderung, Angst oder Kummer. Das Alarmsystem im Gehirn ist eng mit der Rückenmuskulatur verknüpft. Wenn Stress oder Trauer dauerhaft wirken, speichert der Rücken diese Spannung. Und wie kann ein Muskel reagieren? Nur, indem er anspannt. 

 

Wann wird Schmerz chronisch? 

Wenn Schmerzen länger als drei Monate anhalten, spricht man von chronischen Schmerzen. Dann verändert sich das zentrale Nervensystem – es reagiert überempfindlich auf Reize. Der Schmerz bleibt bestehen, obwohl die körperliche Ursache längst abgeklungen ist. Man muss verstehen, wie Schmerz funktioniert und dass unser Gehirn dabei eine entscheidende Rolle spielt. 


„Schmerztabletten machen uns nicht stabil – sie sind nur eine Brücke, um wieder in Bewegung zu kommen.“ 

 

Welche Rolle spielt dabei dein interdisziplinärer Ansatz im Rückenzentrum Am Michel? 

Wir arbeiten in einem Team aus Orthopädie, Physiotherapie, Sportwissenschaft und Psychotherapie. Gemeinsam evaluieren wir, was den Schmerz nicht nur ausgelöst, sondern was ihn aufrechterhält. Daraus entsteht ein individueller Behandlungsplan, in dem Bewegung, psychische Stabilisierung und Alltagstraining Hand in Hand gehen. Nur im Zusammenspiel kann Heilung wirklich gelingen. 

 

Gibt es typische Lebenssituationen, in denen Rückenschmerzen besonders häufig auftreten? 

Ja, fast immer dann, wenn Menschen überfordert sind oder das Gefühl haben, zu viel tragen zu müssen – beruflich, familiär oder emotional. Der Rücken ist ein Spiegel unserer inneren Haltung. Gerade Trauer, Einsamkeit oder anhaltender Stress können buchstäblich in die Muskulatur wandern. Der Körper versucht zu kompensieren, was seelisch nicht verarbeitet wird. 


„Der Rücken ist ein Spiegel unserer inneren Haltung.“ 

Was können Betroffene tun, wenn sich der Rücken meldet? 

Akuter Schmerz ist zunächst ein Warnsignal. Wärme, leichte Bewegung oder eine Schmerztablette können kurzfristig helfen – solange daraus keine Gewohnheit wird. Schmerztabletten machen uns nicht stabil, sie sind nur eine Brücke, um wieder in Bewegung zu kommen. Und wenn die Beschwerden bleiben, sollte man sie ärztlich abklären, aber auch ehrlich hinschauen: Wo stehe ich gerade im Leben? Wann spanne ich an, körperlich wie seelisch? 

 

Viele Menschen fragen sich, ob sie sich lieber schonen oder bewegen sollen. 

Bewegung ist fast immer die bessere Wahl. Stillhalten führt selten zum Ziel. Wichtig ist, den Mut zu fassen, den Rücken wieder zu benutzen. Bewegung bedeutet Vertrauen – in den Körper und ins Leben. Entscheidend ist nicht die perfekte Sportart, sondern die, die Freude macht und stabilisiert: Schwimmen, Pilates, Yoga, Reiten oder Gerätetraining. Körper und Seele sollten bestenfalls gestärkt werden. 

 

Welche zentrale Botschaft möchtest du Betroffen noch mitgeben? 

Zwei Dinge. Erstens: Einbildung gibt es nicht – Schmerz ist echt. Zweitens: Habt den Mut, trotz Schmerz aktiv zu werden und eurem Rücken wieder zu vertrauen. Wissen ist dabei eine starke Ressource. Wer versteht, wie Schmerz entsteht, gewinnt Rückhalt und Selbstwirksamkeit. Chronisch bedeutet nicht, dass Schmerz für immer bleibt – er ist erlernt. Und alles, was wir erlernen, können wir auch wieder verlernen. 

 

 

3 Sofort-Tipps für einen stärkeren Rücken:


  • Bewegung statt Schonung: Auch bei Rückenschmerz hilft es meist mehr, sich zu bewegen, als dauerhaft stillzuhalten. 

  • Gedanken bewusst lenken: Auf Stress, Trauer oder Einsamkeit achten – diese Faktoren spannen den Rücken mit an. 

  • Interdisziplinär denken: Rückenprobleme sind oft mehr als orthopädische Themen. Bei Bedarf Psychologie, Physiotherapie oder Sporttherapie mit ins Boot holen. 

 

 

Zur Person 

Catrin Marnitz ist Psychotherapeutin, Verhaltenstherapeutin und Schmerzpsychotherapeutin am Rückenzentrum Am Michel in Hamburg. Seit über 20 Jahren begleitet sie Menschen mit chronischen Schmerzen, insbesondere im Bereich Rücken und Nacken. Ihr Ansatz: Körper, Psyche und Lebensumfeld gehören zusammen – nur wer das Zusammenspiel versteht, kann langfristig heilen. 

 

 

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Catrin Marnitz, Tina Epking 

EIN GESUNDER RÜCKEN IST AUCH KOPFSACHE 

In ihrem leicht zugänglichen Ratgeber erklären Catrin Marnitz und Tina Epking die Wechselwirkung zwischen Rückenschmerzen und psychischer Belastung. Das Buch liefert praxisnahe Ansätze für mehr Selbstwirksamkeit und lässt Betroffene neue Wege im Umgang mit chronischen Beschwerden entdecken.  

Rowohlt Verlag | 208 Seiten | 18,00 €  



Bilder: Yvonne Schmedemann

Interview: Eva-Maria Rueter

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